Ludwig Kracke

Am 18. September 2020 wurde die dritte Tafel des Projekts „Letzte Adresse“ in der Brandenburgischen Stadt Dahme angebracht.

Die Gedenktafel ist dem Lehrer und zeitweiligem Direktor der städtischen Oberschule Ludwig Kracke, geboren 1884, gewidmet, der ab 1911 als Oberlehrer für Geschichte, Latein, Französisch und Sport an der städtischen Höheren Landwirtschaftsschule unterrichtete.

Direkt zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er an die Ostfront eingezogen. 1915 geriet Leutnant Kracke in russische Kriegsgefangenschaft und wurde als einer von 13 000 deutschen Kriegsgefangenen für drei Jahre in ein Lager bei Krasnojarsk geschickt. Während dieser Zeit gelang es ihm, sich sehr gute Kenntnisse der russischen Sprache anzueignen.

Nach Angaben seines späteren Schülers und Biographen Wilhelm Schmidt gelang Ludwig Kracke 1918 die Flucht aus russischer Kriegsgefangenschaft vermutlich mit Hilfe von Elsa Brändström, der Tochter des schwedischen Militärattachés in Russland.[1]

Nachdem er in der schwedischen Botschaft einen schwedischen Pass und Geld erhalten hatte, kehrte Ludwig Kracke 1919 nach Deutschland zurück.

Nach seiner Rückkehr trat Ludwig Kracke der deutschen rechtskonservativ-monarchistischen Organisation der ehemaligen Frontsoldaten „Stahlhelm“ bei. Nachdem diese nach Hitlers Machtergreifung zwangsweise in die SA integriert wurde, wurde er jedoch wegen der jüdischen Wurzeln seiner Frau ausgeschlossen. Da er sich aber nicht von seiner Frau trennen wollte, verlor er seine Position als Direktor der Dahmer Oberschule und wurde wieder ein einfacher Lehrer.[2]

Wegen seiner Mitgliedschaft im „Stahlhelm“ und der SA durfte Ludwig Kracke im sowjetisch besetzten Dahme nach dem Krieg nicht in einer öffentlichen Schule unterrichten. Er arbeitete daher als Privatlehrer, der vielen seiner Schüler in guter Erinnerung blieb.

In vielen Städten der DDR gab es in der Nachkriegszeit Menschen, die versuchten, sich der Errichtung einer staatlichen Ordnung nach dem Vorbild der UdSSR entgegenzustellen, worauf die Besatzungsbehörden mit Repressionen reagierten. Einer der Bekannten Ludwig Krackes, ein Arzt namens Luthardt, trug sich mit dem Gedanken der Gründung einer Widerstandgruppe. Zu diesem Zweck erstellte er eine Liste mit Namen von Freunden und Bekannten, die seiner Meinung nach Interesse haben könnten, einer solchen Gruppierung beizutreten.

Nicht alle Personen, deren Namen auf der Liste aufgeführt waren, wussten von ihrer Existenz.

Es ist heute nicht mehr zu klären, auf welchem Wege sie zu den Offizieren des sowjetischen Militätrgeheimdienstes gelangte. Sie diente schließlich jedoch als Hauptbeweis in einem Prozess eines sowjetischen Militärtribunals, in dem die Angeklagten der Mitgliedschaft in einer terroristischen antisowjetischen Organisation nach dem berüchtigten Artikel 58 des Strafgesetzbuchs der RSFSR, der auch auf dem Gebiet der DDR Anwendung fand, beschuldigt wurden.

Viele Personen, deren Namen auf der Liste standen – darunter auch deren Verfasser selbst – konnten noch rechtzeitig vor ihrer Festnahme nach West-Berlin fliehen. Die übrigen wurden verhaftet und im August 1949 in das Untersuchungsgefängnis des sowjetischen Militärgeheimdienstes in der Lindenstraße 54-55 in Potsdam gebracht.

Am 13. Februar 1950 beschuldigte das sowjetische Militärtribunal die vermeintlichen Mitglieder der angeblichen Widerstandsgruppe aus Dahme, 19 Männer und eine Frau, in verschiedenen Städten der DDR illegale, konterrevolutionäre und terroristische Organisationen gegründet sowie Kontakte zu einem Untergrundzentrum in West-Berlin aufgenommen zu haben, damit im Falle eines Kriegsausbruchs diese angeblichen Untergrundorganisationen sich aktiv am bewaffneten Kampf gegen die Sowjetunion auf Seiten der westlichen Staaten hätten beteiligen können.

Ludwig Kracke, dem die Ermittler wegen seiner ausgezeichneten Russischkenntnisse besondere Aufmerksamkeit schenkten, war gezwungen, alle Urteile aus dem Russischen ins Deutsche zu übersetzen und für alle laut zu verlesen, darunter auch seine eigenes: 25 Jahre Haft zu verschärften Bedingungen in einem Arbeitslager des GULag-Systems.

Nach vier Monaten des Wartens in einer gemeinsamen Zelle im sowjetischen Militärgefängnis in Potsdam wurden alle Verurteilten in einem „Postwaggon“ in die Sowjetunion geschickt.

Ludwig Krake wurde über mehrere Stationen in den Lagerkomplex Taischet in der Irkutsker Region verbracht. Im August 1952 starb er im Alter von 68 Jahren in einem Lagerkrankenhaus an Herzversagen. Am 17. Juli 1995 wurde er vollständig rehabilitiert.

Die Tafel der „Letzten Adresse“ für Ludwig Krake hängt in der Jüterboger Str. 16 in 15936 Dahme/Mark.

[1] Elsa Brändström ist bis heute für ihre karitative Arbeit zur Rettung ausländischer Kriegsgefangener in Russland bekannt. S. auch: Elsa Brändström: „Unter Kriegsgefangenen in Russland und Sibirien 1914 – 1920“, Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Gesellschaft m.b.H., Berlin 1922

[2] Ungeachtet der kurzzeitigen Mitgliedschaft in einer Naziorganisation schätzt ihn MEMORIAL Deutschland aus diesem Grund nicht als überzeugten Nationalsozialisten ein und hält eine Verstrickung in die Verbrechen des Naziregimes für unwahrscheinlich.