Fritz Storch

Fritz Storch wurde am 21. September 1899 in Stettin in der Familie eines Bauunternehmers Wilhelm Storch und seiner Frau Anna geboren. Er hat Kaufmann gelernt und danach als Buchhalter und in verschiedenen Versicherungsfirmen gearbeitet.

Zeugnis von Iduna-Germania, 1941

Storch heiratete 1928 Selma Gerda Rieger. Zwei Jahre später bezog die Familie mit den neugeborenen Zwillingstöchtern Brigitte und Elvira eine Zweizimmerwohnung in der Mengerzeile 8 in Berlin-Treptow.

Storch war Mitglied des Nationalsozialistischen Fahrkraftkorps. Von 1941 bis 1944 war er Sachbearbeiter in der Finanzabteilung beim Chef des Distrikts Lublin, in dessen er für die Reisekosten zuständig war.

Nach dem Krieg trat Storch der SED bei und kehrte zur Tätigkeit als Buchhalter in verschiedenen Berliner Unternehmen zurück. Im August 1950 nahm die Stelle des ökonomischen Direktors des Reichsbahnfernmeldewerkes Berlin-Oberschöneweide an.

Am 27. Januar 1951, gegen 6 Uhr morgens, kam die Stasi in die Storchs Wohnung – nach einer Durchsuchung wurde der Familienvater verhaftet und ins Gefängnis Karlshorst abgeführt. Fritz Storch wurde beschuldigt, sich herabwürdig über das SED-Regime geäußert und Kontakt zu einem ehemaligen SS-Offizier aufgenommen zu haben. Außerdem wird Storch inkriminieren, dass er dem britischen Geheimdienst Informationen über das Berliner Eisenbahnnetz sowie die Bergbauunternehmen Wismut weitergegeben hat. Der Buchhalter wurde auch wegen des Besitzes westdeutscher Zeitungen „Die Deutsche Rundschau“ und „Der Monat“ vorgeworfen, die seine 20-jährige Tochter Brigitte mit nach Hause brachte. Ende März wurde die Ehefrau von Storch einem fünfstündigen Verhör unterzogen, nach dem sie mit ihren Töchtern nach West-Berlin floh.

Am 25. April 1951 verurteilte ein sowjetisches Militärtribunal Storch wegen „Spionage für Großbritannien“ zum Tode; zur Vollstreckung des Urteils wurde er nach Moskau geschickt. Dort stellte er ein Gnadengesuch, jedoch lehnte dieses am 30. Juni 1951 das Präsidium des Obersten Sowjets ab. Fritz Storch wurde am 4. Juli 1951 im Alter von 50 Jahren in Moskau erschossen.

Bescheinigung über die Vollstreckung des Urteils, 1951

Storch teilte das Schicksal von 943 Deutschen, die zwischen 1950 und 1953 von der Stasi verhaftet, zum Tode verurteilt, nach Moskau gebracht und dort erschossen wurden. Über ein Viertel dieser Zahl, nämlich 241 Personen, wohnten in Berlin. Viele der Verurteilten stellten Begnadigungsgesuche, jedoch wurden 80% von denen abgelehnt. Die Zusammenarbeit mit dem NS-Regime bzw. die Mitgliedschaft in der NSDAP waren das gängige Gründen der Repressionen, mit deren die neue Macht legitimiert wurde. Auch ab 1948 wurden die Repressionen schrittweise auf den Wirtschaftssektor ausgedehnt – die Chefs und Angestellten der obersten Ebene, zu denen Storch als Wirtschaftsdirektor gehörte, gerieten ins Visier. So ist der Fall Storch zwar äußerst bedauerlich, aber nicht einzigartig.

Die Familie von Fritz Storch wusste lange Zeit nicht, was mit ihm geschah. Versuche, sich mit dem Roten Kreuz in Verbindung zu setzen, welches fast der einzige Kanal war, über den Angehörige das Schicksal der Inhaftierten erfuhren, blieben erfolglos. Das Thema des „Verschwindens“ von Storch war in der Familie ein Tabu. Erst 1999, 48 Jahre nach seiner Verhaftung, nahm Auswärtiges Amt Kontakt mit Storchs Familie auf. Dann erfuhren seine Angehörigen, dass die Militärstaatsanwaltschaft Russlands der Fall des in Moskau erschossenen Buchhalters überprüfte und keinen Schuldbeweis fand. Aus diesem Grund wurde Fritz Storch am 29. März 1999 vollständig rehabilitiert. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Frau und eine seiner Töchter, Brigitte, bereits verstorben.

Bescheinigung über die Rehabilitation, 1999

Umso erfreulicher ist es, dass seine Tochter Elvira heute am Leben ist. Trotz ihres erheblichen Alters von 92 Jahren war sie gemeinsam mit ihrer Enkelin Jutta Eger am 8. Juli 2022 bei der Zeremonie zur Anbringung der Gedenktafel der „Letzten Adresse“ an der Fassade des Hauses, in dem ihre Familie lebte. Die Plakette ist die erste, die im Rahmen des Projekts in Berlin installiert wurde. Wie sagte, „Natürlich ist es für uns auch so etwas wie ein Grab, an dem wir trauern können“, sagte Frau Jaeger in einem Interview der „Berliner Zeitung“. Der persönliche Grabstein ihres Großvaters existiert nämlich nicht – zusammen mit anderen in Moskau erschossenen deutschen Staatsbürgern wurde Leiche Storchs nach der Exekution im Krematorium auf dem Friedhof Donskoje verbrannt und dort in einem Gemeinschaftsgrab verscharrt.

Die Zeremonie zur Anbringung der Gedenktafel der „Letzten Adresse“, 2022. In der Mitte sind Elvira und Jutta Jaeger, Tochter und Enkelin von Fritz Storch

Auch der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel, war bei der Zeremonie anwesend – er war derjenige, der die Initiative zur Anbringung der Gedenktafel für Fritz Storch ergriffen hatte. In seiner Rede hob er hervor, Die Plakette der „Letzten Adresse“ – hob Igel in seiner Rede hervor – „gehört zu einem Gesamtbild, dass in Treptow nicht nur geliebt, gelebt, gefeiert und gearbeitet, sondern auch verfolgt und gestorben wurde“. Außerdem betonte er: „Es gab Ungerechtigkeiten, von denen wir gemeinsam daran erinnern und wenn es mal soweit ist, dass wir uns alle unter diesen Sätzen vereinigen können, dann haben wir ein großes Stück der Aufarbeitung geschafft“.