Edmund Hunger wurde am 23. August 1904 in der sächsischen Gemeinde Clausnitz geboren. In den 1940er Jahren besaß Hunger ein Sägewerk in Mulda. In diesem Ort in Sachsen, zehn Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt, lebte er mit seiner Frau und seinen sechs Kindern.
Am 10. August 1945 wurde Edmund Hunger von der Freiberger Abteilung des sowjetischen Militärgeheimdienstes verhaftet. Entsprechend der familiären Erinnerung kamen drei sowjetische Beamte ins Haus und nahmen den Vater mit. Grund für die Verhaftung war eine Denunziation, in der Hunger bezichtigt wurde, die Kriegsgefangenen, die während des Krieges in seinem Sägewerk arbeiten mussten, misshandelt zu haben. Als sie von Hungers Verhaftung erfuhren, schrieben die Einwohner von Mulda und die Angestellten des Sägewerks Briefe an die Besatzungsbehörden, in denen sie der Anschuldigung in der Denunziation widersprachen. I Petitionen enthielten Lob und respektvolle Bemerkungen über den ehemaligen Besitzer des Sägewerks.
Während der Bearbeitung des Falles wurde Hunger in verschiedenen Speziallagern des sowjetischen Militärgeheimdienstes festgehalten. Zunächst befand er sich im Speziallager Nr. 4 in Bautzen. Aus diesem Lager konnte er heimlich Nachrichten für seine Familie herausschmuggeln, so dass diese erfuhr, wo er sich aufhielt. Dann kam er in das Speziallager Nr. 6 in Jamlitz, von wo aus er in das Speziallager Nr. 2 in Buchenwald verlegt wurde. Die Familie erfuhr, dass Hunger dort einsaß, weil ein ehemaliger Lagerinsasse eines Tages zu ihnen kam und ihnen von seiner Haft dort erzählte. Am 7. Februar 1948 starb er von einer Rippenfellentzündung geschwächt dort im Lagerkrankenhaus an einer Lungenentzündung.
Nach Hungers Verhaftung und Tod erlebte die Familie zu ihrem Glück nicht das, was den meisten Familienangehörigen in Ostdeutschland widerfuhr: Sie wurden weder von der Gesellschaft ausgestoßen noch lebten sie als Angehörige eines „Nazis“ oder „Volksfeindes“ in einem Zustand der Isolation, der ständigen Zensur und des äußeren Drucks. Im Gegenteil, die Bewohner von Mulda, wo die Familie wohnen blieb, unterstützten diese sehr.
Die Militärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte Edmund Hunger im Oktober 1991 vollständig. Am 16. September 2023 wurde in Mulda vor dem Haus mit der damaligen Adresse Hauptstraße 89, in dem der ehemalige Besitzer des Sägewerks verhaftet worden war, ein Schild des Projekts „Die letzte Adresse“ mit dem Namen von Edmund Hunger angebracht. Das Haus, das früher über eine Brücke von der Hauptstraße aus zugänglich war, hatte nach Abbruch dieser Brücke seine Adresse geändert. Daher beschloss die Familie, das Schild an einer Stehle an dem Platz an der Hauptstraße zu befestigen, an dem früher die Brücke über den Fluss zum Haus führte. Eine der Töchter von Edmund Hunger, die zum Zeitpunkt seiner Verhaftung elf Jahre alt war, und andere Verwandte nahmen an der Zeremonie zur Anbringung der Tafel teil.
Die Tafel der „Letzten Adresse“ für Edmund Hunger hängt in der Hauptstraße 89, 09619 Mulda (Sachsen).